Vaterwunde















Die Vaterwunde -
ungesunde Nähe zur Mutter

In der Auseinandersetzung mit seiner Krebserkrankung versucht der Klient erneut, sich der Übermacht seiner (seit vielen Jahren verstorbenen) Mutter zu entziehen.  Er leidet immer noch darunter und führt seine wiederholte Krebserkrankung darauf zurück. Er fühlt sich leicht von anderen unter Druck gesetzt, insbesondere von Frauen und Gruppen - die psychologisch als Mütter wahrgenommen werden. 

Daran scheiterten bislang auch Psychotherapien: Seine soziale Umwelt sagte ihm, dass der Hokuspokus sei, und er hatte es geglaubt. Jetzt, im fortgeschrittenem Alter und mit Krebs im vierten Stadium, war er für eine langfristige Therapie nicht mehr bereit. 

Wir arbeiten uns gemeinsam schrittweise zur Wahrheit des Kleinkindes, die sich in einem tragischen Leben fortgesetzt hat. Der Klient beginnt mit dem ersten Satz, den er laut ausspricht. In seiner Stimme höre ich dann die nächste Stufe, den nächsten Satz, der noch näher an die innere Wahrheit des Kleinkindes ist, bis wir den Satz finden, der voll zutrifft. Erst dort kann die Auflösung erfolgen.

Da ich in der Gegenwart keine besondere Geschichte, sondern nur Leid spüre, beginne ich mit dem Satz:

KLIENT: Mutter, ich dachte, ich hatte keine andere Chance, als dir den Jungen zu geben, denn du wolltest.

Ich spüre in der Stimme eine Selbsterniedrigung. Deswegen der nächste Satz:

KLIENT: Mutter, ich dachte, ich bin zu schwach, um dir den Jungen zu verweigern, denn du wolltest, und das denke ich immer noch.

In der Stimme höre ich eine Vater-Schwäche: Es fehlt ihm die stärkende männliche Kraft, die Jungen durch die Nähe zum Vater empfangen. Diese Nähe hatte im Leben meines Klienten gefehlt.  Deswegen wende ich mich der Beziehung zum Vater zu, der ebenfalls seit vielen Jahren verstorben war. Ich spüre da viel Liebe, und ich spüre auch, dass der Vater selbst schwach war. 

In solchen Situationen kann man versuchen, die Kraft der Ahnen zu finden, indem man die männliche Linie gedanklich aufstellt. Die Schwäche der inneren Kraft ist jedoch so groß, dass ich dafür wenig Erfolgschancen sehe. Deswegen entschließe ich mich, seine Kraft zu finden. Ich tat es dadurch, dass ich sie direkt angesprochen habe.

Babys und Kleinkinder sind sehr empfindsam. Sie spüren wortlos alles, was im Inneren der Eltern geschieht und verhalten sich entsprechend. Das ist manchmal ein Überlebensmechanismus, den ohne die Zuwendung der Eltern würden sie sterben. 

Es kann aber auch der Weg des Herzens sein. In diesem Fall verhalten sich die Kinder so, wie sie glauben, dass die Eltern weniger leiden. Sie wollen die Eltern 'retten', sie glücklich sehen. Hierin ist die Ursache für viele Glaubenssätze, die auch nur in diesem Kontext aufgelöst werden könnenDer nächste Satz war:

KLIENT: Vater, um dir zu ersparen, deine Ohnmacht gegenüber Vater und Mutter zu fühlen, habe ich auf meine Stärke verzichtet und sie ausgeblendet, und das tue ich immer noch.

Ich spüre in seiner Stimme, dass er noch nicht bereit ist, dies zu ändern, und ich spüre auch unterdrückte Liebe zum Vater und auch Selbstvorwürfe, durch die Nähe zur Mutter den Vater verraten zu haben. Das war widersprüchlich.

Ich bat den Klienten den Satz noch einmal laut auszusprechen, und da merkte ich, dass die Vorwürfe vom Vater kamen. Der Mann, der mir gegenüberstand, war ein Meister in Anpassung, und auch in diesem Fall hatte er die Erwartungen des Vaters erfüllt und den Glaubenssatz gebildet, "Ich habe meinen Vater verraten." Deswegen bat ich ihn folgenden Satz zu sagen:

KLIENT: Vater, ich habe dich zu sehr geliebt, um deinen Vorwurf, ich würde dich verraten, zurückzuweisen.

Dieser Satz fühlte sich richtig an. Ich fühlte in der Stimme kein Zögern oder Widerstand, es fehlte jedoch die Kraft der Wahrheit. Ich musste weiter suchen. Der Ariadnes Faden zur inneren Wahrheit sind Emotionen. Ich bat den Mann, den Satz zu wiederholen und suchte nach Emotionen in seiner Stimme. Ich fand Schmerz und Liebe. Der nächste Satz war: 

KLIENT: Vater, um dich nicht deinem Schmerz auszusetzen, habe ich meine Liebe zu dir verleugnet und mich selbst weggeworfen.

Auch dieser Satz fühlte sich richtig an, in der Stimme war jedoch viel Traurigkeit und Schwäche. Veränderung braucht Kraft. Ich musste zu tieferen Emotionen gelangen. Dafür habe ich den Satz entrümpelt:

KLIENT: Vater, aus Liebe zu dir, habe ich meine Liebe für dich verraten.

Ich spüre, dass wir auf dem richtigen Weg sind, es fehlt jedoch immer noch an Kraft. Ich fokussiere den Satz mehr auf das, worum es geht:

KLIENT: Vater, aus Liebe zu dir, habe ich die Liebe verraten.

Der Satz fühlt sich wahr an. In der Stimme fehlt jedoch die Bereitschaft zur Veränderung. Es war zu viel Rechthaberei und Inflexibilität drin. Ich fühlte ein Glaubenssatz dahinter. In solchen Fällen wechsle ich von Emotionen zu Gedanken, denn so ist es leichter einzusehen, dass man Unrecht hatte. Der nächste Satz war:

KLIENT: Vater, ich dachte, wenn ich die Liebe zu dir fühle, tue ich dir weh.

Der Satz ist so wahr, dass er mir jedoch keine Möglichkeit gibt, eine Veränderung einzuleiten. Von Archimedes werden folgende Worte überliefert: "Gib mir einen Punkt, wo ich hintreten kann, und ich bewege die Erde." Ich brauche diesen Punkt. Nachdenken über Gefühle, kann nichts ändern. Ich brauche eine aktive Handlung. Diese finde ich im folgenden Satz: 

KLIENT: Vater, ich dachte, wenn ich dir weh tue, liebe ich dich nicht.

Der Satz fühlte sich richtig an. Ich kann jedoch den Angelpunkt nicht finden. Deswegen gehe ich mit dem folgenden Satz auf einer Meta-Ebene:

KLIENT: Vater, ich dachte, Liebe verhindert jeden Schmerz.

Damit verlor ich den Fokus. Ich musste zurück zum Vater. Ich spürte jedoch in der Stimme beim letzten Satz den Tod, die Trauer, die Liebe und den Impuls des Kleinkindes, die Eltern zu retten. Deswegen formulierte ich den nächsten Satz:

KLIENT: Vater, um dich nicht innerlich spüren zu lassen, dass du innerlich tot bist, war ich bereit, für dich zu sterben, und das bin ich immer noch.

Dieser Satz fühlte sich kraftvoll an, es hatte die Energie, um mit dem folgenden Satz die Auflösung einzuleiten:

KLIENT: Vater, um dich nicht innerlich spüren zu lassen, dass du innerlich tot bist, war ich bereit, für dich zu sterben, aber das hat nichts mehr mit meinem Leben zu tun.

Dieser Satz fühle sich im Körper des Klienten zu 100 % wahr an. Deswegen können wir zum nächsten Schritt gehen: die Vergebung und Selbstvergebung. (Wenn dieser Satz sich nicht zu 100 % wahr anfühlt, muss man weiter nach dem richtigen Satz suchen, der die Veränderung ermöglichen kann)

Die Vergebungssätze müssen kurz sein, damit sie Kraft haben. Deswegen verwende ich das Wort Ignoranz für alles, was nicht perfekt und erleuchtet ist. Ich bitte ihn, mir folgende Sätze nachzusagen:

KLIENT:
Vater, ich vergebe mir die Ignoranz und öffne mich für ein Leben in Dankbarkeit für das Leben und in Zeugnis für die Wahrheit.

Vater, ich vergebe dir die Ignoranz und öffne mich für ein Leben in Dankbarkeit für das Leben und in Zeugnis für die Wahrheit.

Vater, ich vergebe mir, dass ich dich angeklagt habe, und öffne mich für ein Leben in Dankbarkeit für das Leben und in Zeugnis für die Wahrheit.

Wenn wir andere anklagen, gibt es eine Instanz in uns, die - je nach psychologischen Modell - uns selber anklagt, oder sie sich ebenfalls angeklagt fühlt. Deswegen gehört zu den Vergebungssätzen auch der folgende Satz:

KLIENT: Vater, ich vergebe mir, dass ich mich angeklagt habe, und öffne mich für ein Leben in Dankbarkeit für das Leben und in Zeugnis für die Wahrheit.

Weil wir in dieser Sitzung sehr tief liegende und lebenslange Emotionen angerührt haben, fand ich auch den folgenden Satz notwendig:

KLIENT: Vater, ich vergebe mir dafür, dass ich mich angeklagt habe, mich angeklagt zu haben, und öffne mich für ein Leben in Dankbarkeit für das Leben und in Zeugnis für die Wahrheit.